Wir stehen vor dem Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters. Technische Innovationen und veränderte Bedürfnisse der Menschen werden zum Motor neuer Formen der Fortbewegung: vernetzt, postfossil und geteilt. Die Elektromobilität nimmt an Fahrt auf. Laut der Internationalen Energie-Agentur vergrößerte sich die weltweite Elektroauto-Flotte von 2 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2017 auf 5 Millionen im Jahr 2018, was einer massiven Einsparung an CO2-Emissionen gleichkommt. Wir erleben derzeit eine Evolution der Mobilität, die durch den technologischen Fortschritt, den Klimaschutz, die Urbanisierung und die Ressourcen-Problematik beschleunigt wird. So könnten ab 2025 selbstfahrende Taxis auf den Straßen zu finden sein und 2030 könnte autonomes Fahren auch im gesamten Individualverkehr zum Alltag gehören. Das eröffnet Chancen, insbesondere für nachgelagerte Branchen. Nach Angaben des Zentralverbands der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie waren in einem Auto im Jahr 2019 durchschnittlich Prozessoren im Wert von 337 Euro verbaut. Ein Elektrofahrzeug benötigt zusätzliche Prozessoren für 410 Euro, und durch automatisiertes Fahren kommen weitere geschätzte 910 Euro für Mikroprozessoren hinzu.
Die Frage, ob dem Elektroantrieb die Zukunft gehört, ist für potenzielle Investoren in die Mobilität der Zukunft eigentlich überflüssig. Denn in Europa und China hat der Gesetzgeber die Zeichen auf “E” gesetzt. So ist davon auszugehen, dass die Menschen in Europa sich 2025 zunehmend elektrisch angetrieben fortbewegen werden und die batterieelektrische Antriebsform bis 2030 weit verbreitet sein wird. Da alle Autohersteller massiv auf Elektroautos setzen, dürfte z. B. die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien in den kommenden Jahren regelrecht explodieren. Eine große Sorge eint alle Automobilhersteller, ist die weiterhin vorherrschende Halbleiterknappheit, die der Industrie Schwierigkeiten macht. Das knappe Angebot an Halbleitern hat dafür gesorgt, dass mehrere Zulieferer der Automobilbranche ihre Produktion zurückfahren mussten. Das hat das weltweite Angebot an Fahrzeugen insgesamt verknappt. Besonders in den USA war der Fahrzeugbestand so niedrig, dass einige bedeutende Autohersteller schwerwiegende Auswirkungen zu spüren bekamen.
Bei der Mobilität der Zukunft geht es allerdings um mehr als um die individuelle Mobilität von Menschen, sondern ganz klar auch um neue Transportmöglichkeiten im Güterverkehr. Die Zunahme des Onlinehandels hat zu einem starken Anstieg des Lieferverkehrs in den Städten geführt. Weil die Infrastruktur dafür auf Dauer nicht ausgelegt ist, und die Belastungen durch Abgase und Feinstaub in der Kritik stehen, werden neue Formen des Transports von Gütern entwickelt. Elektrische Drohnen zur Auslieferung von Paketen stehen hier an erster Stelle, auch die Wasserstofftechnologie wird ihre Rolle finden.
Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die urbane Infrastruktur. Viele Jahrzehnte wurden Städte autogerecht geplant und umgebaut. Doch wer sich die jüngsten Stadt- und Quartiersentwicklungen anschaut, liest immer wieder von autoarmen Konzepten, autofreien Zonen, Mobilitäts-Hubs und Sharing-Angeboten. Oslo hat sogar als erste europäische Hauptstadt ein Verbot für Privat-PKWs in der Innenstadt ausgesprochen. Während die Kritik an der ungezügelten privaten PKW-Nutzung vor allem in den Metropolen zunimmt, wird der ÖPNV in vielen Städten massiv ausgebaut. Außerdem gewinnt das Radfahren immer mehr an Bedeutung, gefördert durch den großzügigen Ausbau der Radwegenetze. Der Vorrang für den ÖPNV und neue Radwege auf ehemaligen PKW-Fahrstreifen hat also unmittelbaren Einfluss auf den PKW-Verkehr. Gerade während der Pandemie entstanden zahlreiche neue Pop-up-Radwege, die zum Teil für dauerhafte Lösungen gesichert werden – dieser Trend scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Bis 2030 könnte der Mikromobilitätsmarkt einen Wert von 500 Mrd. US-Dollar erreichen, so die Consultingagentur McKinsey. Viele Großstädte wie Paris oder Seattle sehen sich dazu veranlasst, Straßen für den Autoverkehr zu sperren und mehr Fahrradwege zu bauen. Zudem hat die COVID19-Pandemie dazu geführt, dass die Menschen sich wieder mehr auf ihre lokale Umgebung konzentrieren – ein Trend, der sich im Konzept der „15-Minuten-Stadt“ widerspiegelt, in der alle wichtigen Einrichtungen und Angebote in diesem Radius für die Bürger erreichbar sind.
Natürlich wird dafür viel mehr Infrastruktur benötigt, wie z.B. flächendeckende Lademöglichkeiten in den Metropolregionen. Außerdem können wir uns auf mehr Regulierung und Kontrolle einstellen– sowohl der Mikromobilitätsunternehmen als auch der Nutzer. Und das Potenzial geht über die physische Infrastruktur hinaus. Intelligente Städte und Unternehmen, die auf Mikromobilität setzen, können diese durch Apps, die einen Anreiz zu ihrer Nutzung bieten, erleichtern und fördern.
Und wenn doch das Auto gebraucht wird, muss es vor allem für die jüngere Generation nicht mehr das eigene Fahrzeug sein. Zwar ist das Auto weiterhin sehr wichtig für die jüngere Generation, es muss sich aber in einen aktiven, umweltbewussten Lebensstil integrieren lassen. Fahrräder, Scooter, Shuttles und Skateboards hingegen prägen immer mehr das Bild unserer Städte. Klein, leicht, umweltfreundlich und einfach mit anderen zu teilen – die Vorherrschaft des Autos als Verkehrsmittel der Wahl wackelt. Willkommen in der Mikromobilitätsrevolution.
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